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Auswirkungen von Windkraftanlagenparks auf die Umwelt nicht ausreichend beurteilt
Erik Averdijk

Am 29. Juni 2021 hat die Kammer für Verwaltungsrecht des niederländisches Staatsrats („Afdeling bestuursrechtspraak van de Raad van State“) eine wichtige Entscheidung verkündet, die möglicherweise große Folgen für geplante Bauvorhaben für Windkraftanlagenparks auf niederländischem Grundgebiet haben kann. Was ist denn genau los?

Der Sachverhalt
Die Gemeinde Eemsdelta (zuvor Gemeinde Delfzijl) hatte einen Bebauungsplan verabschiedet, der die Umsetzung des Windkraftanlagenparks „Delfzijl Zuid Uitbreiding“ vorgesehen hatte. Nahezu gleichzeitig erteilte die Provinz Groningen die Baugenehmigung für die Errichtung dieses Parks. Der Windkraftanlagenpark besteht aus 16 Windkraftanlagen mit einer maximalen Achshöhe von 136 m und einem maximalen Rotordurchmesser von 136 m. Das Gebiet liegt direkt südlich des bestehenden Windkraftanlagenparks Delfzijl Zuid.

Der Maßnahmenbeschluss (Activiteitenbesluit) und die Maßnahmenverordnung (Activiteitenregeling) enthalten Vorschriften, die Windkraftanlagen und Windkraftanlagenparks erfüllen müssen. Organisationen, die gegen Windkraftanlagen und Parks sind, haben unter anderem vorgebracht, dass für diese Vorschriften niemals eine Umweltverträglichkeitsprüfung stattgefunden habe, obwohl diese aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zwingend notwendig gewesen wäre. Die Kammer für Verwaltungsrecht des Staatsrats muss diesen Standpunkt beurteilen. Die Entscheidung vom 29. Juni 2021 enthält diese Beurteilung.

Beurteilung der Verwaltungsrechtskammer
Die niederländischen Bestimmungen für Windkraftanlagen gelten für das gesamte Grundgebiet der Niederlande. Sie wurden von der Regierung und dem Ministerium für Wohnungswesen, Raumordnung und Umwelt (Ministerie van Volkshuisvesting, Ruimtelijke Ordening en Milieu) verabschiedet. Darüber hinaus werden die Bestimmungen durch Artikel 8.40 des Umweltgesetzes (Wet milieubeheer; Maßnahmenbeschluss) und Artikel 3.14, 3.15 und 3.15a des Maßnahmenbeschlusses (Maßnahmenverordnung) vorgeschrieben. Auf Grundlage der europäischen Rechtsprechung kommt die Verwaltungsrechtskammer zu dem Urteil, dass diese Bestimmungen als Plan oder Programm im Sinne von Artikel 2.a der SMB-Richtlinie zu qualifizieren sind.

Die Verwaltungsrechtskammer stellt anschließend fest, dass sich die Bestimmungen für Windkraftanlagen auf Energie beziehen. In Anhang II zur Mer-Richtlinie werden in Punkt 3.i Energieunternehmen „Anlagen für die Gewinnung von Windenergie zur Energieherstellung (Windkraftanlagenparks)“ genannt. Die Verwaltungsrechtskammer stellt ferner fest, dass es für „…die Bestimmungen für Windkraftanlagen für die Verabschiedung von Bebauungsplänen zwar keinen gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungsrahmen gibt, aber dass diese Bestimmungen das Planungsrecht einschränken. Es geht dabei darum, dass es diesem Planungsrecht nicht gestattet ist, Bebauungspläne zu verabschieden, deren Umsetzung sich nicht mit den Bestimmungen für Windkraftanlagen verträgt: dann ist die Umsetzbarkeit des Plans nämlich nicht sichergestellt…“.

Die Verwaltungsrechtskammer kommt deshalb zu dem Urteil, dass die Verabschiedung des Bebauungsplans und die Erteilung der Baugenehmigung insofern gegen die erforderliche Sorgfalt im Sinne von Artikel 3:2 Awb verstoßen und nicht auf einer ordnungsgemäßen Substantiierung im Sinne von Artikel 3:46 Awb beruhen.

Folgen
Der Windkraftanlagenpark wurde noch nicht errichtet. Die Verwaltungsrechtskammer erwägt, dass das das Recht der Europäischen Union und die Rechtsprechung des EuGH es ihr verwehren, die Rechtswirkungen des Bebauungsplans und der Baugenehmigung aufrechtzuerhalten oder eine vorübergehende Aussetzung der Bestimmungen für Windkraftanlagen durchzusetzen. Die Verwaltungsrechtskammer nimmt auch das Angebot, Normen, die mit den Bestimmungen für Windkraftanlagen zu vergleichen sind, in den Bebauungsplan zu integrieren, nicht an. Als Grund gibt die Verwaltungsrechtsabteilung an, dass diese Normen nicht auf ihre Umweltverträglichkeit hin geprüft worden sind.

Trotzdem bietet die Verwaltungsrechtskammer die Möglichkeit, die Mängel auf dem Verwaltungsweg zu beheben. Möglich ist dies, wenn die Regierung nachträglich eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Bestimmungen für Windkraftanlagen erstellt und diese Bestimmungen nötigenfalls überarbeitet oder ergänzt. Die andere Möglichkeit ist, dass der Gemeinderat oder die Provinz selbst Normen in den Bebauungsplan und die Baugenehmigung einfügen und diese Normen im Voraus auf ihre Umweltverträglichkeit hin prüfen. In der Entscheidung erhalten sie 26 Wochen Zeit, die Mängel zu beheben oder einen anderen Beschluss zu fassen.

Ergebnis
Das Ergebnis, das sich aus dieser Entscheidung ableiten lässt, ist, dass die Verwaltungsrechtskammer der Ansicht ist, dass die Bestimmungen für Windkraftanlagen aus dem Maßnahmenbeschluss und der Maßnahmenverordnung zu Unrecht nicht auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft worden sind. Da Initiatoren und Betreiber von Windkraftanlagenparks diese Normen erfüllen müssen, müssen Gemeinden und Provinzen bei der Verabschiedung von Bebauungsplänen und bei der Genehmigungserteilung berücksichtigen, dass das Projekt umsetzbar ist. Das lässt sich nicht dadurch lösen, dass die Bestimmungen für Windkraftanlagen nachträglich auf ihre Umweltverträglichkeit hin geprüft und nötigenfalls überarbeitet werden oder dass alternative Normen eingefügt werden, die auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft worden sind. Für laufende Projekte könnte dies zu einer erheblichen Verzögerung führen.
 
 
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