Haben Sie schon ein neues Meldesystem für Whistleblower bzw. Hinweisgeber? |
Yvonne Nijhuis und Christian Mutlu
Am 18. Februar 2023 ist das niederländische Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern, das Wet bescherming klokkenluiders, in Kraft getreten. Dieses Gesetz ersetzt den Vorgänger Wet Huis voor klokkenluiders. Das neue Gesetz bietet Arbeitnehmern mehr Möglichkeiten, Missstände in einem Unternehmen zu melden. Was bedeuten die neuen gesetzlichen Anforderungen für Ihr Unternehmen?
Integrität in Arbeitsbeziehungen steht ganz oben auf der Tagesordnung. Dies wird in den Medien deutlich, aber es gibt auch Entwicklungen in der Gesetzgebung. Zum Beispiel das Gesetz Wet bescherming klokkenluiders („Wbk“). Ab dem 17. Dezember 2023 sind Arbeitgeber mit mindestens 50 (bis zu 250) Arbeitnehmern verpflichtet, ein Meldesystem für die Meldung von vermuteten Missständen innerhalb ihrer eigenen Organisation einzuführen. Arbeitgeber mit mindestens 250 Arbeitnehmern sind dazu bereits seit dem 18. Februar 2023 verpflichtet.
Arbeitgeber, die bereits ein Meldesystem haben, müssen dieses an die verschärften Anforderungen aus dem Wbk anpassen. Mit anderen Worten: Das neue Meldesystem muss sicherstellen, dass jede Person, die in dieser Organisation arbeitet, interne oder externe Meldungen über vermutete „Missstände oder Verstöße“ machen kann, ohne dass ihr dadurch Nachteile entstehen. Was genau bedeutet das?
Erforderliches Meldesystem
Das Wbk ist eine Folge der notwendigen Umsetzung der europäischen Vorschriften (Richtlinie 2019/1937/EU). Das Gesetz hat auch seine eigene Terminologie. Ein „Melder“ umfasst zum Beispiel neben regulären Arbeitnehmern auch unbezahlte Praktikanten, Gesellschafter/Aktionäre, Stellenbewerber, Freiwillige und Solo-Selbstständige. Eine weitere Neuerung des Wbk besteht darin, dass die Melder in mehrfacher Hinsicht besser geschützt sind.
Welche Änderungen sind am wichtigsten?
Bestehende Meldesysteme müssen zwingend mit den besseren und neuen Schutzmaßnahmen aktualisiert werden. Welche Beispiele gibt es für Arbeitgeber?
Arbeitgeber sind unter anderem verpflichtet, ihren Arbeitnehmern Informationen zum internen Meldesystem, zur externen Meldung vermuteter Missstände und zum Rechtsschutz von Meldern zur Verfügung zu stellen. Die wichtigsten Änderungen zu Meldesystem und Melder beziehen sich auf:
- Verfahrensfristen – Bestätigung einer Meldung binnen sieben Tagen und spätestens binnen drei Monaten eine Rückmeldung über die Bearbeitung (Artikel 2 Wbk).
- Externe Meldung – Das Recht des Melders, einen vermuteten Missstand sofort extern bei einer zuständigen Stelle, z.B. der Nederlandse Zorgautoriteit (niederländische Überwachungsbehörde im Gesundheitsbereich), zu melden (Artikel 2c Wbk).
- Schutz vor Benachteiligung – Der Schutz von Meldern vor Benachteiligung im Zusammenhang mit einer erfolgten Meldung, z.B. bei (drohender) Entlassung, Freistellung, Degradierung, negativen Beurteilungen oder schriftlichen Verweisen (Artikel 17 Wbk).
- Umkehr der Beweislast – Bei Benachteiligung eines Melders während und nach der Bearbeitung der Meldung wird angenommen, dass diese Benachteiligung eine Konsequenz der Meldung bzw. der Offenlegung der Meldung ist (Artikel 17eb Wbk).
- Haftungsausschluss – Ein Melder kann, unter bestimmten Voraussetzungen, für die Folgen eines Verstoßes gegen eine Beschränkung der Offenlegung von Informationen nicht haftbar gemacht werden (Artikel 17f Wbk).
Das Wbk bietet damit eine spezielle Regelung, die bestimmt, welche Voraussetzungen das Verfahren eines Arbeitgebers erfüllen muss. Arbeitgeber müssen demnach in dem Verfahren festlegen, in welcher Form ein Melder seine oder ihre Meldung vornehmen kann (z.B. schriftlich oder telefonisch) und dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, sich einem Berater anzuvertrauen. Arbeitgeber sind außerdem verpflichtet, Meldungen in einem dafür eingerichteten Verzeichnis zu dokumentieren. Darüber hinaus ist es wichtig, dass festgelegt wird, bei welchen unabhängigen beauftragten Personen ein vermuteter Missstand gemeldet werden kann und welche beauftragten Personen diese Meldung bearbeiten können. Ferner gilt, dass der Melder, wenn er beispielsweise an einer Meldung gehindert oder benachteiligt wird, eine Klage vor dem Zivilgericht in Bezug auf Erfüllung oder sogar Schadenersatz anhängig machen kann (ggfls. mit einem Zwangsgeld). Arbeitgeber müssen deshalb darauf bedacht sein, dass das Wbk wichtige neue Verpflichtungen mit sich bringt.
Weitreichender Geltungsbereich des Wbk
Der Geltungsbereich des Wbk ist weitreichend, auch wegen der allgemeinen Terminologie, die im Gesetz verwendet wird.
Die Definition „Missstand“ umfasst nicht nur einen (drohenden) Verstoß gegen Unionsrecht (z.B. Produktsicherheit), sondern auch die Gesellschaft gefährdende Handlungen oder Unterlassungen. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn die Handlung (oder Unterlassung) nicht nur persönliche Interessen berührt, sondern ein Muster oder eine Struktur aufweist oder eine schwere oder umfassende Handlung darstellt. Beispielsweise bei Verstößen gegen Gesetze oder interne Vorgaben des Arbeitgebers (wie z.B. aus dem sog. Arbowet). Ein weiteres Beispiel ist eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit von Personen, die Umwelt oder das ordnungsgemäße Funktionieren der öffentlichen Verwaltung. Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass eine allgemeinere Terminologie des Wbk zu einem größeren Rechtsschutz der Arbeitnehmer führt.
Hinzu kommt, dass Unternehmen mit Niederlassungen in verschiedenen Ländern eine Meldestelle für jedes Land errichten müssen. Für die Arbeitnehmer muss der Schutz sichergestellt werden, die die Gesetze des speziellen Landes im Fall einer erfolgten Meldung bieten. Aber auch Organisationen mit weniger als 50 Arbeitnehmern können den Verpflichtungen aus dem Wbk unterliegen, beispielsweise Unternehmen, die als „Wwft-pflichtig“ gelten (Wwft = niederländisches Gesetz zur Vermeidung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung) (Artikel 2 Absatz 3 Wbk).
Der weitreichende Geltungsbereich des Wbk ergibt sich auch aus den gesetzlichen Zustimmungsanforderungen. Bei Unternehmen mit einem Betriebsrat oder einer Personalvertretung ist die Zustimmung für jeden Beschluss, der sich auf die Feststellung, Änderung oder Einstellung des Meldeverfahrens bezieht, erforderlich (Artikel 27 Absatz 1.m WOR, niederländisches Betriebsrätegesetz). Bei Unternehmen ohne Betriebsrat oder Personalvertretung gilt, dass für die Feststellung eines Meldesystems die Zustimmung von mindestens 50 % aller Arbeitnehmer erforderlich ist. Als Interessenträger können Arbeitnehmer sogar einen Antrag beim niederländischen Amtsgericht („kantonrechter“) einreichen, um ein Meldesystem durch den Arbeitgeber feststellen zu lassen. Mit anderen Worten: Wegen des ihnen zustehenden Zustimmungsrechts müssen die Mitbestimmungsorgane rechtzeitig beteiligt werden.
Aufgepasst! Erstellung oder Überarbeitung eines Meldesystems
Viele Arbeitgeber haben momentan noch kein Meldesystem, das dem neuen Gesetz entspricht. Was bedeutet das in genau Ihrem Fall? Da jede Organisation einzigartig ist, sollte das Meldesystem maßgeschneidert sein. Das bedeutet, dass ein funktionierendes Meldesystem, das zu Ihrem Unternehmen passt und selbstredend den neuen gesetzlichen Vorgaben entspricht, von entscheidender Bedeutung ist.
Wir unterstützen Sie gerne kurzfristig bei der Erstellung oder Überarbeitung Ihres Meldesystems.
Sollten Sie Fragen zu diesem Thema und den weiteren Entwicklungen haben, stehen Ihnen unsere Mitarbeiter des German Desk sehr gerne zur Verfügung. |
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