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Vergabestelle ist gegenüber erfolglosem Ausschreibungsteilnehmer schadenersatzpflichtig
Elske Veenstra

Es kommt vor, dass bei einer Ausschreibung etwas schief geht, so dass sich im Nachhinein herausstellt, dass der Auftrag an die falsche Partei vergeben wurde. In einem solchen Fall kann die Partei, die den Auftrag hätte erhalten müssen, Schaden erleiden. In einem kürzlich ergangenen Urteil der Rechtbank Noord-Nederland wurde die Vergabestelle zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von EUR 107.685,30 verurteilt, weil der Auftrag an die falsche Partei vergeben wurde.

Zuwiderhandlung
Die Gemeinde Den Helder hat im Rahmen einer europäischen Ausschreibung einen Auftrag zur Unkrautbekämpfung und zum Kehren von Gehwegen an den Ausschreibungsteilnehmer X vergeben. Das Unternehmen De Combinatie endete auf dem zweiten Platz. De Combinatie hat ein Hauptverfahren anhängig gemacht, in dem festgestellt wurde, dass die Gemeinde den Ausschreibungsteilnehmer X hätte ausschließen müssen. Das Gericht entschied, dass der Auftrag an De Combinatie hätte vergeben werden müssen. Da die Gemeinde den Auftrag an Ausschreibungsteilnehmer X vergeben hat, hat die Gemeinde eine Zuwiderhandlung gegenüber De Combinatie begangen. Außerdem urteilte das Gericht, dass die Vergabestelle zur Schadensersatzzahlung an De Combinatie verpflichtet ist. Das Urteil hat in den Rechtsmittelverfahren sowohl vor dem Gerichtshof als dem Hoge Raad Bestand (Rechtbank Noord-Holland 16. September 2015, ECLI:NL:RBNHO:2015:12224, Gerechtshof Amsterdam 30. Januar 2018, ECLI:NLGHAMS:2018:304 und Hoge Raad 12. Juli 2019, ECLI:NL:HR:2019:1172).

Schadenfeststellungsverfahren
In dem vorgenannten Urteil wurde ein „in einem Verfahren näher festzustellender“ Schadensersatz zugewiesen. Das bedeutet, dass De Combinatie noch ein gesondertes Verfahren über den Umfang des Schadens führen muss, das sogenannte Schadenfeststellungsverfahren. In einem solchen Verfahren werden die Fragen entschieden, 1) ob ein Schaden entstanden ist, 2) wie dieser Schaden berechnet werden muss, und 3) ob dieser Schaden entschädigungsfähig ist.

Grundsätzlich wird bei der Berechnung des Schadens ein Vergleich zwischen der Situation, in der De Combinatie den Auftrag zu Unrecht nicht erhalten hat, und der Situation, in der De Combinatie den Auftrag erhalten hätte, angestellt. Es handelt sich also um einen Vergleich zwischen den Kosten und dem Nutzen der tatsächlichen Situation und der hypothetischen Situation. Die Differenz ist der Schaden.

Vorliegendes Urteil
Die Rechtbank Noord-Holland hat mit dem Urteil vom 5. Januar 2022 eine Entscheidung in dem Schadenfeststellungsverfahren verkündet.

Aufgrund der konkreten Fakten und Umstände in diesem Fall kommt das Gericht zu der Entscheidung, dass De Combinatie Schaden entstanden ist, der entschädigungsfähig ist. Das Gericht veranschlagt das Ausmaß dieses Schadens. Von dem geforderten Betrag von EUR 1.368.287,47 weist das Gericht einen Betrag von EUR 107.685,30 zu. Der vorgenannte Betrag setzt sich aus Schadenersatz für die sogenannten Unterdeckungsschäden, Sachverständigengebühren und außergerichtlichen Kosten zusammen. Unterdeckungsschäden sind Kosten wegen Stillstand/Unterbesetzung von Personal und Material, wobei berücksichtigt wird, inwiefern diese Verluste durch Ersatzaufträge kompensiert wurden.

Ferner wurde unter anderem Schadensersatz für die möglichen Verlängerungsjahre des vergebenen Auftrags gefordert. Dieser Schadensersatz wurde abgewiesen. Grundlage dafür sind Unsicherheiten hinsichtlich der Qualität des Werks und damit auch hinsichtlich einer eventuellen Verlängerung des Auftrags.  Außerdem hat die Gemeinde in der Vergangenheit schon einmal beschlossen, den Auftrag nicht zu verlängern. Das bedeutet jedoch nicht, dass der geforderte Schadensersatz im Hinblick auf Verlängerungsjahre niemals zugewiesen würde. Denn spezielle Umstände können zu einer anderen Entscheidung führen.

Ergebnis
Diese Entscheidung zeigt, dass eine Vergabestelle das Vergabeverfahren äußerst sorgfältig organisieren, ausführen und kontrollieren muss. Dabei muss sie sich darüber im Klaren sein, dass sie gegenüber einem nicht erfolgreichen Ausschreibungsteilnehmer schadenersatzpflichtig werden kann, wenn sie den Auftrag an die falsche Partei vergibt. In dem Zusammenhang kann es für die Vergabestelle ratsam sein, die Haftung für verschiedene Arten von Schäden auszuschließen oder zu begrenzen oder diese Haftung dem erfolgreichen Ausschreibungsteilnehmer vertraglich aufzuerlegen.

Wenn Sie Fragen zu diesem oder anderen Themen haben, steht Ihnen unser German Desk immer gerne zur Verfügung.
 
 
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